Liebe Genossinnen und Genossen,
seit Jahren ist die Beitragsfreiheit bei Straßenausbau und Straßenersterschließungen das wohl am häufigsten und heftigsten vor Ort diskutierte kommunale Thema der Landespolitik. Besonders die Freien Wähler haben ein Tohuwabohu erzeugt, das nur noch schwer nachvollziehbar ist. Mit diesem Kommunalbrief versuche ich, das notwendige Licht ins Dunkel zu bringen und mit Blick auf die entscheidenden Beratungen über den nächsten Doppelhaushalt des Freistaats auf drohende Ungerechtigkeiten für die Kommunen hinzuweisen.
Klaus Adelt, MdL Kommunalpolitischer Sprecher der BayernSPD-Landtagsfraktion
Straßenausbaubeiträge (Strabs)
Um was geht’s?
Bisher konnten von den Kommunen gemäß Art. 5b a.F. KAG Straßenausbaubeiträge für die Erneuerung und Verbesserung von Ortsstraßen erhoben werden. Mit der Novelle des Kommunalabgabengesetz vom letzten Jahr wurde diese Möglichkeit zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft.
Die dabei gewählte Stichtagsregelung orientiert sich nicht am Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, sondern an der Zustellung der Beitragsbescheide. Ausschlaggebend ist also nicht die fertig ausgebaute Straße – so wie von den kommunalen Spitzenverbänden und uns gefordert – sondern wann der Bescheid im Briefkasten gelandet ist. Diese Regelung hat zu neuen Ungerechtigkeiten geführt, beispielsweise wenn Vorauszahlungsbescheide für noch nicht abgeschlossene Ausbaumaßnahmen erstellt worden sind oder Bescheide für ein und dieselbe Ausbaumaßnahme über den Jahreswechsel hinweg zugestellt wurden. Das Innenministerium will es den Kommunen in diesem Fällen freistellen, die Beiträge auf eigene Kosten zu erlassen, was zu neuen Ungerechtigkeiten führt: insbesondere finanzschwache Kommunen dürfen davon wegen des Gebots der sparsamen Haushaltsführung keinen Gebrauch machen.
Wer bezahlt den Ausgleich für die entfallenen Straßenausbaubeiträge und wie werden die zur Verfügung stehenden Mittel genau verteilt?
Die Ausbaukosten werden künftig nicht mehr von den Grundstückseigentümern mitfinanziert, sondern alleine vom Steuerzahler. Mit dem Entwurf des Doppelhaushalts von 2019/2020 stellt die Staatsregierung für 2019 und 2020 jeweils 150 Millionen Euro zur Verfügung. Wie die Mittel im Zuge der Abschaffung genau verteilt werden, regelt das Finanzausgleichsänderungsgesetz 2019, dessen Entwurf derzeit im Landtag debattiert wird.
Strabs. Finanzausgleich Straßenersterschließungsrecht (Strebs)
Um was geht’s?
Die Gemeinden können nach Art. 5a KAG Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage erheben. Bis eine Straße beitragsrechtlich als erschlossen gilt, ist eine Reihe von Anforderungen zu erfüllen, die bis heute auf eine Vielzahl unserer kommunalen Straßen nicht zutrifft. Das führt regelmäßig zu Unfrieden in den Städten und Gemeinden, vor allem dann, wenn Anwohner sich (teilweise bei schon lange existierenden Straßen) mittels Ersterschließungsbeiträgen an den Baukosten beteiligen müssen. Die unwahre Unterstellung von CSU und FW, die Kommunen hätten diese Beiträge absichtlich nicht abgerechnet, gießt nur weiter Öl ins Feuer.
Mit der Novelle des Kommunalgabengesetzes von 2016 wurde sich in Form des Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG der Altanlagenproblematik im Ersterschließungsbeitragsrecht angenommen. Demnach dürfen ab dessen Inkrafttreten am 1. April 2021 keine Erschließungsbeiträge mehr abgerechnet werden, wenn seit Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Ersterschließungsanlage 25 Jahre ins Land gezogen sind. Das betrifft alle Straßen, die zwischen 1961 und 1996 gebaut, aber noch nicht im beitragsrechtlichen Sinne fertiggestellt wurden.
Was ändert sich?
Da Art. 5a Abs. 7 S.2 KAG erst 2021 in Kraft tritt, sind Kommunen grundsätzlich auch bei „Altfällen“ verpflichtet Erschließungsbeiträge bei Fertigstellung zu erheben. Vor kurzem haben nun CSU und Freie Wähler angekündigt, es den Kommunen durch eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes (Art. 13 Abs. 6 S. 2 KAG-E) künftig freizustellen, ob sie Erschließungsbeiträge für diese „Altfälle“ erheben oder nicht. Die Gemeinden erhalten damit die Möglichkeit, die Beiträge ganz zu erlassen.
Da die Städte und Gemeinden aus Sicht der Regierungsparteien dann freiwillig nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie diese Altfälle noch abrechnen oder nicht, gibt es dafür keine gesonderten Ausgleichsmittel vom Freistaat. Der Grundsatz der Konnexität wird mit diesem Trick umgangen. Auch hier dürfte finanzschwachen Kommunen eine Anwendung der Kann-Regelung verwehrt sein. Zudem wird den Kommunen durch das oben bereits erwähnte Finanzausgleichsänderungsgesetz 2019 freigestellt, die eingeplanten Ausgleichszahlungen für den Straßenausbau auch für Ersterschließungsaltfälle anwenden zu können.
Will heißen: Die für 2019 bereitgestellten 35 Millionen bzw. 2020 85 Millionen Euro stehen nicht nur für Strabs, sondern auch Strebs-Altfälle zur Verfügung, ohne dass dafür die Mittel aufgestockt werden. Noch 2016 hat das Innenministerium selbst mit Kosten von 300 Millionen Euro jährlich nur für die Kompensation der Straßenausbaubeiträge gerechnet – mit steigender Tendenz. Bewertung:
CSU und Freie Wähler haben beim Systemwechsel der Finanzierung der kommunalen Straßenverkehrsinfrastruktur falsch gemacht, was man nur falsch machen kann:
Stichtagsregelung Strabs: Anstatt auf objektive und nachvollziehbare Kriterien als Grundlage für den Stichtag zu setzen, haben CSU und FW mit ihrem Grundsatz „Bescheid ist Bescheid“ neue Unklarheiten, Ungerechtigkeiten und Härtefälle geschaffen. Die überhastete und undurchdachte Abschaffung endet im Chaos. Strabs-Ausgleichszahlungen: Die hier zur Verfügung gestellten Mittel reichen hinten und vorne nicht aus. Erstens, weil sie ab 2020 allen Kommunen und nicht nur denjenigen zur Verfügung gestellt werden, die eine Strabs angewendet hatten. Zweitens, weil die Staatsregierung sich bei der Berechnung der Finanzmittel maßgeblich auf die in den letzten Jahren erhobenen Beiträge bezieht, ohne jedoch den Preisanstieg im Tiefbaugewerbe, das Alter der Straßenverkehrsinfrastruktur und deren zunehmende Belastung durch ein sich sukzessiv erhöhendes Verkehrsaufkommen angemessen zu berücksichtigen. Nach ersten Berechnungen und Schätzungen werden Kommunen lediglich 30 bis 50 Prozent von dem als Ausgleichszahlungen erhalten, was sie zuvor über Straßenausbaubeiträge eingenommen hatten. Altfälle Strebs: Bei den Ersterschließungsaltanlagen übergeht die Staatsregierung das Konnexitätsprinzip und schiebt den Kommunen den schwarzen Peter zu, indem sie diesen die Entscheidung überlässt, ob noch Beiträge abgerechnet werden sollen oder nicht. Dasselbe Spiel betreibt sie auch in Bezug auf die Strabs-Härtefälle; auch hier soll die Kommune auf eigene Kosten Beiträge erlassen können. Finanzierung: Aufgrund der Tatsache, dass die an und für sich zu geringen Mittel für den Straßenausbau auch für Straßenersterschließungsfälle herangezogen werden, droht eine Unterfinanzierung der Gemeinden.
CSU und Freie Wähler haben bei der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge für Chaos gesorgt, mit der Folge, dass Städte und Gemeinden in Folge dessen gezwungen sein werden die Sanierung ihres Straßennetzes aufzuschieben, die Hebesätze bei den kommunalen Steuern zu erhöhen oder freiwillige Leistungen zu kürzen. Sie zementieren auch ein Ungleichgewicht zwischen finanzstarken und -schwachen Kommunen. Die schwarz-orangene Regierung betreibt damit kurzsichtige und undurchdachte Politik auf dem Rücken unserer Gemeinden.
Wir setzen uns weiter für eine gerechte Lösung dieser Problematik ein und werden das Regierungshandeln hier kritisch beobachten. Uns liegt die kommunale Selbstverwaltung besonders am Herzen. Wir brauchen starke, leistungsfähige Kommunen, die die Grundlage unserer Gesellschaft sind.
Die Abgeordneten und Bürgermeister der Regierungsparteien sollten auch vor Ort – bei Veranstaltungen, aber auch in den Kommunalparlamenten - auf dieses Chaos und die entstehenden Ungerechtigkeiten direkt angesprochen werden.